Sexuelle Zufriedenheit ist keine Einheitsgröße - My Sexual Health

Sexuelle Zufriedenheit ist keine Einheitsgröße

Sexuelle Zufriedenheit ist ein komplexes Thema, das mehr umfasst als nur guten Sex oder häufige Orgasmen. Sie beinhaltet Aspekte außerhalb von Geschlechtsverkehr und Sexualfunktion, wie z. B. Verlangen oder sexuelle Probleme, obwohl es keine einheitliche Definition oder Erläuterung dafür gibt. Wissenschaftler wissen aber, dass sexuelle Zufriedenheit ein wichtiger Teil bei der Pflege stabiler Beziehungen sein kann. Sie spielt auch eine Rolle beim allgemeinen Wohlbefinden, sowohl emotional als auch körperlich.

Wie messen wir sexuelle Zufriedenheit?

Die Messung sexueller Zufriedenheit mit einem gemeinsamen Tool vermittelt möglicherweise kein genaues Bild aus jeder Perspektive, da manches eher für ein bestimmtes Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung geeignet ist als andere.

 

Diese Vielfalt, wie Frauen mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten (heterosexuell, bisexuell und homosexuell (lesbisch)) sexuelle Zufriedenheit erleben, bildet die Grundlage der Studie, die von einem Team unter der Leitung von Dr. Laura Holt durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler wollten anhand von aktuellen wie auch neuen Forschungstools die Unterschiede untersuchen, wie Frauen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen auf Faktoren ansprachen, die ihre sexuelle Zufriedenheit beeinflussen. 

Über die Studie

Die Forschung wurde anhand einer Online-Befragung durchgeführt, mit der Menschen in den USA erfasst wurden. Etwa 64 % der Teilnehmerinnen identifizierten sich als heterosexuell, während 21 % bzw. 13 % sich als bisexuell- bzw. lesbisch identifizierten.

 

Die Teilnehmerinnen beantworteten eine Mischung aus Fragen aus verschiedenen Messungen und Skalen, wie z. B. die Bewertung ihrer sexuellen Zufriedenheit von 1-7 und die Beantwortung qualitativerer Fragen wie „…wie haben Sie den Grad Ihrer sexuellen Zufriedenheit bestimmt?“. Zu den Aufgaben, die diesem Bewertungsschritt folgen, gehörten die Beantwortung der (für diese Studie konzipierten) Befragung „Potential Sexual Satisfaction Factors“ (PSSF) und der „New Sexual Satisfaction Scale“, die auf Literatur zu Sexualberatung und -therapie beruht.

Unterschiede und Ähnlichkeiten

Obwohl die verschiedenen Gruppen auf viele der Fragen ähnliche Antworten gaben, wurden einige wichtige Unterschiede beobachtet:

 

Heterosexuelle Frauen legten mehr Wert auf sexuelle Aktivitäten und die Häufigkeit von Orgasmen für ihre sexuelle Zufriedenheit.

 

Bisexuelle Frauen gaben an, dass die Akzeptanz ihrer Identität und Masturbation/Solo-Sex für ihre sexuelle Zufriedenheit wichtiger waren als dies in den anderen Gruppen der Fall war.

 

Lesbische Frauen bewerteten körperliche Intimität (ohne Sex) höher als die anderen beiden Gruppen.

Manchmal zeigten zwei Gruppen ähnliche Resultate:

 

Heterosexuelle und lesbische Frauen antworteten, dass die Stärke und Langlebigkeit der Beziehung sowie die moralische oder religiöse Korrektheit ihrer sexuellen Aktivität für ihre sexuelle Zufriedenheit wichtig waren.

 

Lesbische und bisexuelle Frauen befürworteten den Gebrauch von sexuellen Materialien und zusätzliche Partner stärker als die heterosexuelle Gruppe.

 

Bisexuelle und heterosexuelle Frauen empfanden es für ihre sexuelle Zufriedenheit als wichtig, eine gute Komminikaten in Bereichen zu haben, die nichts mit Sex zu tun haben.

Was bedeutet das?

Die Studie zeigte, wie wichtig die individuelle Behandlung der sexuellen Zufriedenheit ist. Wie ein Fingerabdruck ist die Wahrnehmung der Dinge, die die sexuelle Zufriedenheit beeinflussen, einzigartig und persönlich.

Was fehlt?

Wenn die Frauen eine Antwort dazu aufschreiben sollten, was sie ihrer Meinung nach sexuell zufriedenstellt, gab dies den Wissenschaftlern auch einen Einblick in Bereiche, die Frauen für wichtig halten und die in der Liste der Faktoren (PSSF) fehlen. Dazu gehören Gefühle im Anschluss an den Sex, die körperliche Fähigkeit, Sex zu haben, und der von den Teilnehmerinnen aufgeführte Hauptfaktor, das Verlangen.

Was zu beachten ist

Obwohl das Team eine möglichst vielfältige Stichprobe anstrebte, hatten die meisten Befragten einen College- oder High School-Abschluss (über 90 %) und identifizierten sich als weiß (88 %). Das Team bemühte sich außerdem besonders, religiösere und konservativere Frauen zu erreichen, aber die Fragen schränkten die Fähigkeit der Wissenschaftler ein, diese Befragten zu identifizieren.

 

Diese Befragung richtete sich auch an Personen in einer Beziehung, und die Fragen bezogen sich auf diese Beziehung, so dass keine alleinstehenden Frauen berücksichtigt wurden. Außerdem war die Befragung eher für Personen geeignet, die sich als Frauen oder weiblich identifizierten, so dass sie möglicherweise nicht diejenigen unterscheidet, die eher genderfluid sind.

Zukünftige Forschung

Zukünftige Forschung kann Studien umfassen, die die sexuelle Identität von Personen untersuchen, die sich als männlich oder nicht-binär/genderfluid präsentieren. Die verwendete Sprache könnte auch angepasst werden, da sich ein Teil der Sprache besser für heterosexuelle Beziehungen eignete (z. B. die Verwendung des Wortes  „Geschlechtsverkehr“).

Referenzartikel:

Holt LL, Chung YB, Janssen E and Peterson ZD (2021) Female Sexual Satisfaction and Sexual Identity. J Sex Res. Feb;58(2):195-205.